Branding / Marke

Markenführung: Das Management von Ordnung und Unordnung

Zusammenfassung

  • Markenführung bedeutet das Management der Grundprinzipien Ordnung und Unordnung
  • In der Markenstrategie gilt das Prinzip der Ordnung
  • In der Markenkreation gilt das Prinzip der Unordnung
  • Aus kreativer Unordnung kann Ordnung entstehen, wenn man mit ihr umgehen kann

„How do you keep the vitality of day one, even inside a large organization?“ – eine berühmte Leitfrage von Jeff Bezos, CEO von Amazon. Die Lebenskraft des ersten Tages eines Unternehmens ist immer eine Mischung aus strategischer Ordnung und kreativer Unordnung. Diese Beständigkeit der Ordnung und diese Dynamik der Unordnung braucht eine Organisation auch in der Markenführung. Markenführung ist somit das Management von Ordnung und Unordnung – und das macht selbige zu einer komplexen und anspruchsvollen Managementaufgabe.

Das Marketing eines jeden Unternehmens braucht eine innere Ordnung. Es geht darum, im Sinne der Marke vernünftig zu handeln. Das heißt: Das Marketing braucht eine Ordnung der abstrakten Lösungen mit grundlegenden Werten und allgemeingültigen Regeln. Dieses Selbstbild aus der Unternehmenssicht muss dann für alle Markenbotschafter verbindlich sein – vom CEO bis zum Praktikanten. Eine solche Ordnung schafft die Markenidentität. Sie ist die strategische Ebene der Markenführung und wird auch als Substanz einer Marke bezeichnet. Das Unternehmen wird dabei mit individuellen Werten und einer spezifischen Haltung aufgeladen. Auf Basis dieser Markenidentität wird die Marke dann gemäß dem ultimativen Kundenversprechen oder dem kaufentscheidenden Kundenmotiv positioniert. So wird das Morgen der Positionierung mit dem Heute und Gestern der Markenidentität vereint.

Was ist eine geordnete Markenidentität und wie entwickelt man sie?

Eine Markenidentität schafft eine innere Verbundenheit zwischen Marke und Produkt sowie eine emotionale Beziehung zum Kunden. Eine Markenidentität sollte nun aus einem Zielleitbild (was ist unser Traum?), einem Markenleitbild (für welche Werte stehen wir ein?), einer Markenpersönlichkeit (welche menschlichen Eigenschaften bieten wir zur Identifikation an?), einem Markenversprechen (was wünschen sich die Menschen?) und einem Markenmanifest (was treibt uns an?) bestehen.

Es ist nun entscheidend die Markenidentität widerspruchsfrei und schriftlich zu fixieren. Strategische Markenführung braucht daher erstens sprachliche Ordnung und Präzision – die Arbeit an der Sprache ist immer zugleich Arbeit am konsistenten Gedanken. Zweitens muss sichergestellt werden, dass die Markenidentität auch an neue Kollegen in einer schriftlichen Form weitergegeben wird, denn: Kunden müssen erkennen können, dass ein Unternehmen für etwas steht. Dieses Etwas ist die nachhaltige Identität. Außerdem: Nur wenn alle Unternehmensangehörigen ein gemeinsames Gedächtnis und Verständnis von der eigenen Identität, der Positionierung und dem Soll-Image haben, ist das Ziel einer starken Marke erreichbar.

Es darf also keine Unklarheiten und Interpretationsspielräume auf dem Feld der strategischen Markenführung geben – weder bei Mitarbeitern, noch bei Kunden. Jede Unschärfe und Unordnung gilt es hier zu vermeiden. Es gilt, sauber zu arbeiten. Wenn ein Unternehmen aber nicht weiß, wohin es mit seiner Marke gehen soll, dann wird es irgendwo und irgendwie ankommen.

Was ist Kreativität und wie geht man mit kreativer Unordnung um?

„Process is trying to make order out of chaos. Creativity is trying to make chaos to create order. They are at opposite ends of a spectrum.“ So erklärte Sir John Hegarty, Kreativchef und Mitgründer der Londoner Werbeagentur Bartle Bogle Hegarty (BBH), den Sinn von kreativer Unordnung. Wirksame Markenkreation entsteht aus dem Mut zum Chaos und aus dem Drang, der Tendenz zur Normierung etwas entgegenzusetzen, um die wunderbare Vielfalt der Welt zu erhalten – und sie entsteht aus spontaner Intuition.

Kreativität in Form von interner Kommunikation und kreativer Werbung mit dem Ziel der Etablierung eines attraktiven Markenimages ist eine Art von innerer Sprache eines Unternehmens, die das Verhalten, die Emotionen und das Denken aller Zielgruppen in die Richtung des angestrebten Images steuert.

Doch was genau ist eigentlich Kreativität? Das ist nicht nur eine schwierige, sondern vielleicht nicht mal eine gute Frage. Das Offensichtliche kann jedenfalls manchmal schwer zu definieren sein. So hat Louis Armstrong auf die Frage eines Fans nach der Definition von Jazz weise geantwortet: „Mensch, wenn du schon fragen musst, wirst du es nie begreifen.“ Kreativität unterscheidet sich in ihren Merkmalen und Leistungen jedenfalls so sehr, dass eine allgemeine Definition uns kaum eine Vorstellung von der Vielfalt geben kann, die sich in diesem Begriff vereint. Gerade die Vielfalt und Verschiedenartigkeit, die Lebendigkeit und Spielfreudigkeit, die Komplexität und Einfachheit sind wesentliche Kennzeichen der Kreativität. Kreativ ist letztlich jeder, der out of the box denkt und neue Wege geht.

Markenkreation entsteht also aus der Unordnung der Fantasie und Emotionen. Aus Querdenkertum und Nonkonformität. Und eben gerade nicht aus einer Ordnung der Logik und Vorschriften. Markenkreation braucht jedoch ein kreatives Spielfeld. Dieses darf weder zu klein noch zu groß sein. Kreativität braucht einen gewissen Freiraum zur Entfaltung und zugleich auch klare Regeln und Grenzen. Die Markenstrategie muss das Spielfeld daher definieren und so der Kreativität Orientierung und Richtung geben.

Markenmanager müssen also ein Führungskonzept besitzen, das die wesensprägenden und imageprägenden Merkmale die Marke zum Ausdruck bringt. So kann er den Agenturkreativen klare Grenzen setzen. Jedoch sollte er nie Vorschriften machen, wie diese ihren kreativen Job zu machen haben. Denn die Kreativität von Textern und Grafikern einem strategischen Diktat zu unterwerfen, Kreativagenturen zu gesteuerten Lieferanten zu degradieren, all das schadet letztlich der Marke. Manche Marken hat es sogar ins Verderben gestürzt.

Die Aufgabe der Markenkreation ist es aus einer Markenstrategie ein Markenimage zu machen. Es geht primär um Brandingelemente (Logo, Claim, Bildwelt etc.) und Kampagnen. Man sollte nun wissen, dass ein Branding, das keine Emotionen auslöst, de facto für das Gehirn nahezu wertlos ist. Es sind die Emotionen, welche die Hauptentscheider im menschlichen Gehirn sind. Sprich: Mit dem rationalen Leistungsversprechen des Produkts wird der Verstand der Kunden erobert. Und mit dem emotionalen Werteversprechen wird das Herz der Kunden erobert. Im Bereich der Markenkreation gilt es also, quasi unsauber zu arbeiten.

Fazit

Die strategische Markenidentität und das kreative Markenimage sind die zwei wesentlichen Aspekte des Systems Marke. Kreativität kann Strategie daher nicht ersetzen – und Strategie kann Kreativität nicht ersetzen. Gute Markenführung braucht sowohl die makroskopische Ordnung für die Markenidentität als auch die mikroskopische Unordnung für das Markenimage.

Die Herausforderung jedes Unternehmens liegt nun in zwei Fragen: Erstens, wie schaffen wir Ordnung in der linken Gehirnhälfte des Markengehirns unserer strategischen Markenführung, und wie gehen wir mit Unordnung in der rechten Gehirnhälfte unserer kreativen Markenführung um? Und zweitens, wie schaffen wir eine optimale Arbeitsteilung zwischen den beiden Gehirnhälften? Denn wichtig ist, dass Markenstrategen und Kreative sich nicht gegenseitig hemmen beziehungsweise gegeneinander arbeiten. Identitätsbildung und Imagebildung müssen sich zu einem Gesamtverhalten zusammenfügen, müssen Hand in Hand gehen. Unternehmen, die das verstanden haben und umsetzen, haben einen Wettbewerbsvorteil.

Es geht also wie so oft um Leadership. Manche Unternehmenskulturen neigen dazu, Unordnung generell als Störung zu betrachten – und diese dementsprechend zu bekämpfen. Im Bereich der Markenführung ist ein solches Denken jedoch nicht zielführend. Die besten Leadership-Kulturen sind diejenigen, die kreative Unordnung als Chance sehen, bessere Markenarbeit zu leisten. Mit einer solch verstandenen Brand Leadership bleiben Unternehmen auf dem strategischen und kreativen Pfad – und damit auf dem Erfolgspfad. Natürlich ist es leicht, das zu schreiben – und viel komplizierter, das zu machen. Aber so werden Marken stark.

Über den Autor:
Roland Albrecht ist Geschäftsführer der Markenagentur GoYa!
Mein Profil: Markendenker und Markenmacher.
Mein Motto: No risk, no fun – because it‘s better to be a pirate than to join the navy.
Warum diese Branche? – Weil Kommunikation die wunderbarste Sache der Welt ist.
Warum Markenagentur? – Weil ich an die Macht der Marke glaube.

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